40 Jahre Freiburger Kreis: "Diese Vereine lernen voneinander."

Der Vorsitzende der Arbeitesgemeinschaft größerer deutscher Sportvereine, Freiburger Kreis (FK), Wolfgang Heuckmann über das Wahrnehmungsproblem seiner Organisation.

Das Foto zeigt den Vorstand des "Freiburger Kreis" (v.li): Horst Lienig, Frank Kunert, Wolfgang Heuckmann, Dr. Alexander Kiel, Uwe Pulsfort; Foto Doris Büttner
Das Foto zeigt den Vorstand des "Freiburger Kreis" (v.li): Horst Lienig, Frank Kunert, Wolfgang Heuckmann, Dr. Alexander Kiel, Uwe Pulsfort; Foto Doris Büttner

Herr Heuckmann, der Freiburger Kreis wird 40 Jahre alt und feiert am 26. September in Freiburg, wo er 1974 von 23 Vereinen gegründet wurde, Geburtstag. In der Öffentlichkeit ist die Arbeitsgemeinschaft größerer deutscher Sportvereine, kaum bekannt. Hat sie ein Wahrnehmungsproblem?

WOLFGAN HEUCKMANN: Es ist richtig, dass der FK nicht in allen Organisationen des DOSB bekannt ist. Bei den größeren Vereinen, in den Landessportbünden und den Spitzenverbänden müssen wir unseren Bekanntheitsgrad noch steigern, ebenfalls in den Institutionen der Städte und Gemeinden, da müssen wir und werden wir in der nächsten Zeit professioneller arbeiten.

Warum brauchen die 168 Großvereine, die knapp eine Million Mitgliedschaften repräsentiern, den FK abseits von Fach- und Dachverbänden?

Die größeren deutschen Sportvereine, die vorrangig Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssport anbieten, haben im DOSB als Vertretung der Verbände und Bünde keinen direkten Ansprechpartner. Sportvereine sind durch die Landessportbünde vertreten und diese haben abgesehen von den letzten Jahren nie die größeren Sportvereine in ihrem Blickfeld gehabt, einige Landessportbünde bemühen sich in letzter Zeit, in ihren Angeboten auch die Großvereine zu berücksichtigen. Der Vorstand vertritt die Interessen der FK Vereine aus den Bundesländern gegenüber den Institutionen aus Sport, Politik und Wirtschaft auf Bundesebene. Auf der Landesebene sind wir weniger aktiv, auf der kommunalen Ebene unterstützt der Vorstand die Vereine mit Rat und Tat. Die Fachverbände haben weniger die Interessen der Großvereine in ihrem Blick.Besonders im Steuerbereich tauchen immer neue Probleme auf, die der FK thema-tisiert und Lösungsvorschläge erarbeitet.

Wo sehen Sie Stärken und Mehrwert der AG Freiburger Kreis?

Wir weisen immer wieder darauf hin, dass der FK eine Arbeitsgemeinschaft, ein Interessenverband größerer deutscher Sportvereine ist. Diese Vereine lernen voneinander, weil sie bereit sind, ihre Erfahrungen weiterzugeben. Durch den regelmäßigen Austausch ergeben sich neue Gedanken, Vorhaben werden verändert auf den eigenen Verein übertragen. Der FK steht für Innovationen, für professionelles Arbeiten und Qualität.

Gerne wird der FK als Denkstube der Vereinsentwicklung bezeichnet. Was sind wichtige Wegmarken in diesen vier Jahrzehnten?

Mit Sicherheit die Einführung der Hauptamtlichkeit, für viele Vereinsfunktionäre in den Anfangsjahren ein Tabubruch. Die Vertretung der Interessen der Mitglieder wurde in vielen Vereinen nicht mehr der Mitgliederversammlung übertragen, sondern der Delegiertenversammlung. Ferner der Bau eigener Sportstätten und die Einrichtung von Fitnessstudios, für die kommerziellen Sportanbieter eine Ungeheuerlichkeit. Die FK Vereine waren die ersten, die Kindersportschulen, Kindertagesstätten, Sportkindergärten gegründet gaben. Durch Kurssysteme wurde Sportinteressierten die Möglichkeit gegeben, im Verein Sport zu treiben, ohne sich langfristig an den Verein zu binden. Sehr früh haben sich FK Vereine den Themen Integration und Inklusion gewidmet. Kooperationen mit Institutionen und Organisationen aus Staat und Wirtschaft wurden geschlossen. Bisher gelang es nur den größeren Sportvereinen in den Ganztagsschulen durch ihr hauptamtliches Personal ganztägig als Partner zur Verfügung zu stehen und den Ganztag mitzugestalten.

Hat der FK die deutsche Sportlandschaft verändert?

Um im Bild der Landschaft zu bleiben, FK Vereine sind auf der Karte der Bundesrepublik Deutschland, auf der alle Sportvereine eingetragen sind, deutlich zu erkennen, aber wir sind noch nicht in allen Bundesländern gut vertreten. Das Angebot für Sport, Spiel und Bewegung ist in FK umfassend, nicht mehr nur auf wenige Sportarten beschränkt. Weil die FK Vereine über eigene Sportstätten verfügen, ist ein ganztägiges Angebot möglich. Bei der Durchsicht von Fortbildungsprogrammen der Verbände, Bünde und Akademien des Sports fällt auf, dass gerne Themen aufgenommen werden, die in den Seminaren des FK behandelt wurden.

Das Klima zwischen der AG und den Dachverbänden gilt als chronisch gereizt und gespannt. Sehen Sie Chancen für engere Kooperation und fruchtbaren Dialog?

Der Dialog zwischen dem ehemaligen DSB und dem FK war zu Beginn sehr angespannt, bzw. es gab keinen Dialog. Insofern war es ein Novum, dass in der letzten Legislaturperiode des DSB ein Vertreter des Freiburger Kreises in den Ausschuss „Steuer, Recht und Versicherung“ berufen wurde. Leider gibt es im DOSB diesen Ausschuss, der ob all der Probleme dringend nötig wäre, nicht mehr. Aber die Kommunikation zwischen dem DOSB und FK ist besser geworden, gut ist die Zusammenarbeit mit der dsj. Zu den Landessportbünden gibt es kaum Kontakt, erst in letzter Zeit gibt es Signale von Seiten einiger Landessportbünde, Kontakt aufzunehmen und Gedanken auszutauschen.

Schlanke Strukturen, praxisnahe Kommunikation, professionelle Führung und nachhaltiger Gedankenaustausch, was kann der organisierte Sport vom FK lernen?

Wir sind in erster Linie unseren Vereinen gegenüber verantwortlich, deren Interessen der Vorstand vertritt. Und diese Interessen unterscheiden sich sehr von denen der kleineren Vereine, der Verbände und Bünde. Lernen können die Organisationen des DOSB von den einzelnen Vereinen. Wenn ein Verein über 6000 Mitglieder hat, eigene Sporthallen, Bäder und Freiplätze, Sportkindergarten und ein Fitnessstudio, über 50 Festangestellte im sportpraktischen Bereich  und sehr viele freiwillig Engagierte, dann können Sie einen derartigen Verein nur führen, wenn sie eine hauptamtliche Geschäftsführung haben, wenn sie Entscheidungsstrukturen schaffen, die auch kurzfristige Entscheidungen ermöglichen, wenn sie trotzdem den Mitgliedern die Möglichkeit geben, ihre Interessen zu vertreten, indem sie Kommunikationswege mit den modernen Medien einführen, wenn sie kontinuierlich darauf achten, ihr hauptamtliches und ehrenamtliches Personal zu qualifizieren, wenn sie wie die FK Vereine eine lernende Organisation sind.

Was sind Herausforderungen in den nächsten Jahren?

Die Qualität der Sportstätten muss gesichert werden, um unsere Mitglieder zufrieden zu stellen und neue Mitglieder zu gewinnen. Wir sind uns dessen bewusst, dass Zuschüsse von Kommunen, Ländern und Bund weniger werden. Die FK Vereine sind deshalb neue Wege gegangen, sind Kooperationen eingegangen mit Institutionen und Betrieben aus Staat und Wirtschaft und konnten somit die Finanzierung sicher stellen. Eine große Herausforderung wird die Kooperation mit den Ganztagsschulen sein. Die FK Vereine sind in der Lage, mit ihrem Personal und ihren eigenen Sportstätten den Ganztagsbetrieb in den Schulen mit zu gestalten, d.h. Einfluss zu nehmen auf Inhalte und Ablauf.Die freiwillig Engagierten und die Ehrenamtlichen werden auch weiterhin die Ressource sein, die den Bestand der Sportvereine gewährleisten.

Es wird viel über Erosionen im Vereinssport und im Ehrenamt geredet. Ist das Vereinsmodell deutscher Prägung zukunftsfähig?

Wenn das Vereinsmodell gemeint ist, dass am Ende des 19. Jahrhunderts entstand, ist es ein nicht mehr taugliches Modell. Ein Merkmal sollte aber beibehalten werden. Die Mitglieder, die sich freiwillig dem Verein angeschlossen haben, sollen auch weiterhin die Möglichkeit haben, ihre Interessen einzubringen. Der Verein soll weiterhin eine Interessengemeinschaft bleiben. Die größeren deutschen Sportvereine sind Dienstleister und Solidargemeinschaften. In der Wissenschaft ist viel über das Ende der Bereitschaft geschrieben worden, sich in einem Verein, der vorrangig Dienstleister ist, zu engagieren. Die Sportvereine werden auch weiterhin genügend freiwillig Engagierte und Ehrenamtliche in ihren Reihen haben, wenn sie gerade mit Hilfe der Hauptamtlichen attraktive Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen. Wir sind zukunftsfähig, wenn wir bereit sind, zu lernen, bereit sind, Neues zu entwickeln und auszuprobieren und uns anzupassen.

(Quelle: DOSB-Presse, Ausgabe 36/Hans-Peter Seubert)


  • Das Foto zeigt den Vorstand des "Freiburger Kreis" (v.li): Horst Lienig, Frank Kunert, Wolfgang Heuckmann, Dr. Alexander Kiel, Uwe Pulsfort; Foto Doris Büttner
    Das Foto zeigt den Vorstand des "Freiburger Kreis" (v.li): Horst Lienig, Frank Kunert, Wolfgang Heuckmann, Dr. Alexander Kiel, Uwe Pulsfort; Foto Doris Büttner