50 Jahre Freiwilliges Soziales Jahr – auch der Sport gehört dazu

Steigende Teilnehmerzahlen, Modellprojekte für benachteiligte Jugendliche und verbesserte Qualitätsstandards sorgen dafür, dass der Freiwilligendienst als Bildungs- und Orientierungsjahr großen Zulauf hat.

50 Jahre Freiwilligendienste: Viele FSJler bleiben den Vereinen auch nach ihrem Dienst als Ehrenamtlich erhalten. Foto: LSB NRW
50 Jahre Freiwilligendienste: Viele FSJler bleiben den Vereinen auch nach ihrem Dienst als Ehrenamtlich erhalten. Foto: LSB NRW

Mit den Modellprojekten „FSJ im Sport macht kompetent“ und „Fokus-FSJ“ wurden beispielsweise Freiwillige mit erschwerten Zugangsbedingungen zum Engagement im Sport besonders angesprochen und gefördert. Derzeit sind über 1.900 Freiwillige im FSJ und mehr als 600 im BFD tätig und unterstützen Sportvereine und -verbände durch ihr Engagement. Zum 50-jährigen Jubiläum des Freiwilligen Sozialen Jahres gehören Freiwillige, Einsatzstellen und Träger des Sports wie selbstverständlich dazu.

Verschiedene Freiwilligendienste unter dem Dach des Sports

Im Rahmen eines Modellprojektes, vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) finanziert, wurde von 2001 bis 2003 sowohl eine Koordinierungsstelle bei der Deutschen Sportjugend (dsj) eingerichtet als auch der Aufbau von zunächst 100 Einsatzstellen aus dem Kinder- und Jugendplan des Bundes finanziell unterstützt. Dabei sollten sich die Jugend- und Sozialstrukturen von Sportvereinen, Sportverbänden und Sportbünden generell für die Ableistung des gesetzlich geregelten Freiwilligendienstes öffnen, der bis dahin den sozialen und kirchlichen Trägern vorbehalten war.

Träger des FSJ im Sport wurden die sechzehn Jugendorganisationen der Landessportbünde, so dass sich in allen deutschen Bundesländern Trägerstrukturen entwickelten. Die Anerkennung der Träger wiederum, die alle Mitgliedsorganisationen der dsj sind, erfolgte durch die zuständigen Landesbehörden. 

Am 1. August 2002 kam eine wichtige Neuerung hinzu: Anerkannte Kriegsdienstverweigerer konnten nun anstelle des Zivildienstes ein zwölfmonatiges FSJ absolvieren. Sie unterlagen dabei den Regeln des Freiwilligendienstes, wurden in der sportlichen Betreuung von Kindern und Jugendlichen eingesetzt und wie die übrigen FSJler/-innen vergütet. Damit öffneten sich im „FSJ statt Zivildienst“ Tätigkeitsbereiche, etwa die Kinder- und Jugendarbeit, die im Zivildienst nicht möglich waren.

Das Interesse an FSJ statt Zivildienst war im Sportbereich von Anfang an außergewöhnlich groß, da die Einsatzmöglichkeiten für viele junge Männer ausgesprochen attraktiv waren. Aufgrund der fast kostendeckenden Zuschüsse, die das Bundesamt für Zivildienst den Trägern für die Beschäftigung von Kriegsdienstverweigerern zahlte, ließ sich ihr Einsatz gut refinanzieren.

Bis im Jahr 2011 der Zivildienst ausgesetzt wurde, waren die meisten der jungen Erwachsenen, die ein FSJ im Sport absolvieren, anerkannte Kriegsdienstverweigerer – mehr als 1250 waren es im Jahrgang 2010/11, dazu über 800 junge Frauen oder Männer, die keinen Wehrdienst leisten mussten.

Als Nachfolger des ausgesetzten Zivildienstes dient der Bundesfreiwilligendienst (BFD). Die guten Erfahrungen des Modellprojektes „Generationsübergreifender Freiwilligendienst (GÜF) im Sport“, das zwischen 2005 und 2008 in sechs Bundesländern durchgeführt wurde, sind in die Gestaltung des sportspezifischen Bundesfreiwilligendienstes eingegangen.

Dabei eröffnet der BFD ganz neue Aufgabenbereiche, etwa im handwerklichen und technischen Bereich sowie in der verbandlichen Arbeit. Spitzensportler können – wie bereits im Zivildienst im Sport – Training und Freiwilligendienst unter kompetenter Anleitung verbinden. Während die dsj als Zentralstelle fungiert, erhalten erstmals alle dsj-Mitgliedsorganisationen die Chance, die Trägerrolle zu übernehmen. Die Fachverbände Turnen, Tischtennis, Rudern, Schach sowie Jujutsu nutzen diese Möglichkeit.

Weitere Freiwilligendienstformen treten hinzu: In Niedersachsen und Bayern werden ökologische Freiwilligendienste im Sport entwickelt. Der ASC Göttingen verantwortet gemeinsam mit dem Landessportbund Niedersachsen und in Kooperation mit der dsj zudem diverse Auslandsfreiwilli-gendienste, insbesondere in Frankreich und in Südafrika. 

Nachhaltigkeit des Engagements

Während in den internationalen Freiwilligendiensten „Rückkehrerarbeit“ zum Standard gehört, sind vergleichbare Initiativen bei den Inlandsdiensten noch im Aufbau. Einen ersten Aufschlag machte die Sportjugend Brandenburg im August 2013: Sie lud aktuelle und ehemalige Freiwillige zu einem Workshop „Ich bleib dabei!“ ein, um Ideen für ein Alumniprogramm zu sammeln, das nun – in engem Dialog mit aktuellen Freiwilligen – entstehen soll. Ziel aller Initiativen muss es sein, den Übergang zwischen Freiwilligendienst und der Zeit „danach“ zu gestalten und die Begeisterung für freiwilliges Engagement zu bewahren.

Diverse Studien zeigen, dass die Zahl der Freiwilligen, die sich nach ihrem Freiwilligendienst weiter im Sportbereich engagieren, schon jetzt sehr groß ist. Die Träger bemühen sich zum einen, die Freiwilligen durch passende Bildungsangebote und Lizenzen fit zu machen für die Arbeit im Sportverein.

Zum anderen versuchen sie, die Freiwilligen – etwa durch „Helfertage“ im Rahmen von Großveranstaltungen – an die Arbeit der Sportjugenden heranzuführen und sie beispielsweise in Juniorteams einzubinden. Die Zahl der ehemaligen Freiwilligen, die mittelfristig in die Vorstandsarbeit von Sportvereinen und -verbänden eingebunden werden, steigt kontinuierlich.

Die Kontakte zu anderen Freiwilligen, zur Einsatzstelle oder zum Träger wirken über den Freiwilligendienst hinaus. Auch das Lebensgefühl und die Errungenschaften des Freiwilligenjahres, die eigenen Projekte, Verbesserungsideen sowie die innere Verbundenheit zu dieser institutionalisierten Form bürgerschaftlichen Engagements bleiben über das Jahr hinaus bestehen.

Sportvereine und Sportverbände haben wertvolle Mitarbeiter gewonnen, die sich nach FSJ oder BFD weiterhin engagieren oder auch in ihrer Einsatzstelle einen Ausbildungsplatz oder eine andere Tätigkeit aufnehmen. Träger gewinnen erfahrene ehemalige Freiwillige zur Unterstützung der Bildungs- und Seminararbeit für die nachfolgenden Jahrgänge. Freiwilligendienste im Sport wirken erwiesenermaßen nachhaltig.

Eine Studie mit tausend Freiwilligen aus dem FSJ im Sport belegt, dass 86 Prozent der Freiwilligen ihr Engagement im Anschluss an das FSJ fortsetzen wollen. Dies bestätigt die Ergebnisse einer Befragung der Bayerischen Sportjugend, nach der drei von vier Freiwilligen auch nach Ende ihres Dienstes weiter als Übungsleiter oder als Übungsleiterin tätig sein wollen. Eine Untersuchung aus Niedersachsen zeigt ebenfalls, dass 78 Prozent der Freiwilligen sich nach ihrem FSJ im Sport weiter ehrenamtlich engagieren wollen.

Die Träger suchen nun vermehrt nach Wegen, um dies auch in den Fällen zu erleichtern, in denen junge Erwachsene etwa aufgrund eines studienbedingten Umzugs nicht mehr in „ihrem“ Sportverein tätig sein können. 

Bildungsort Sport (-verein)

Die FSJ- und BFD-Freiwilligen erwerben im Laufe ihres Dienstes im Regelfall eine Übungsleiterlizenz und weitere Zertifikate (etwa den Erste-Hilfe-Schein oder Juleica, die Jugendleiter-Card, den bundesweit einheitlichen Ausweis für ehrenamtliche Mitarbeiter in der Jugendarbeit). Dadurch können sie die Rolle des Übungsleiters oder der Übungsleiterin kompetent ausfüllen.

Damit sie selbst aber im Laufe ihres Freiwilligenjahres wachsen und sich entwickeln können, brauchen sie erfahrene Partner an ihrer Seite. An ihrem Einsatzort, dem Sportverein, sind dies häufig ehrenamtliche Übungsleiter, die sie anleiten und dabei die Rolle eines Mentors oder einer Mentorin übernehmen.

Die Anleitung umfasst die beiden Aspekte fachliche Anleitung und persönliche Begleitung. Hier findet sowohl ein wichtiger Wissenstransfer als auch ein begleiteter Kompetenzerwerb statt. Der Sportverein wird zum Bildungsort – für die Freiwilligen ebenso wie für die Kinder und Jugendlichen, die zum Training kommen.

Seine Position als einer der größten Bildungsanbieter der Zivilgesellschaft hat der Deutsche Olympische Sportbund in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut. Aktuell sind beispielsweise bundesweit über 580.000 gültige DOSB-Lizenzen im Umlauf; jährlich werden mehr als 40.000 neue Lizenzen erteilt. Dies entspricht einem Ausbildungsvolumen von insgesamt über 3,5 Millionen Stunden pro Jahr, die angehende Trainer, Übungsleiter, Vereinsmanager und Jugendleiter in den Lehrgängen der Sportorganisationen absolvieren. Mehr als 660 Ausbildungsgänge stehen dabei zur Verfügung. 

Wie eine Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG-Studie) von 2011 zeigt, sind Sportvereine die wichtigsten Partner von Ganztagsschulen. Sie sind jedoch, im Gegensatz zu anderen Kooperationspartnern, wenig in die konzeptionelle Arbeit der Ganztagsschulen eingebunden.

Gleichzeitig zeigt die Studie, dass die Sportvereine sich in ihrem Selbstverständnis nicht als Bildungsanbieter, sondern vielmehr als Anbieter von Freizeitbeschäftigung wahrnehmen. Diese Selbstwahrnehmung wird aber zunehmend hinterfragt. Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zählt Aktivitäten in den Sportvereinen zu den bildungsorientierten Freizeitbeschäftigungen von Jugendlichen. Sie weist nach, dass bildungsorientierte Freizeitaktivitäten z.B. im Sport eine Auswirkung auf die Lebenszufriedenheit haben: Jugendliche, die in ihrer Freizeit z. B. an Angeboten in Sportvereinen teilnehmen, weisen eine signifikant höhere Lebenszufriedenheit auf als Jugendliche, die dies nicht tun. 

Die Bedeutung für die Entfaltung der Bildungspotentiale ist für den Sport eine doppelte: Bewegungskompetenz ist einerseits ein zentrales Element eines ganzheitlichen Bildungsverständnis-ses, andererseits bietet sie eine wichtige Basis für andere Bildungspotentiale: Frühe Körpererfahrungen, insbesondere die Erfahrung der eigenen Möglichkeiten zur bewussten Steuerung von komplexen Bewegungsabläufen, sind nicht nur entscheidend für die Bewegungskoordina-tion, wie der Neurobiologe Gerald Hüther betont. Sie bilden auch die Grundlage für die Aneig-nung wissensunabhängiger Metakompetenzen, etwa ein positives Selbstwirksamkeitskonzept, effektive Handlungs- und Planungskonzepte, Impulskontrolle, Frustrationstoleranz, intrinsische Motivation. 

Wissenschaftliche Studien sehen weitere positive Folgen des „Aufwachsens“ im Sportverein, beispielsweise die Bedeutung für den Erwerb gesundheitsfördernder Verhaltensmuster, den positiven Einfluss auf die kindliche Entwicklung, die Auswirkungen der Mitgestaltungserfahrung oder die hohe gesellschaftliche Integrationskraft.

Bei den Freiwilligen im Sport sind es – wie eine vergleichende Studie der Universität Göttingen zeigt – interessanterweise kommunikative Kompetenzen, die durch die Übungsleitertätigkeit in einem hohen Maße erworben werden. Auch der Erwerb sozialer Kompetenzen wird in besonders hohem Ausmaß von den Engagierten im Bereich des FSJ im Sport verzeichnet, vermutlich, weil sich durch die Anleitung und Betreuung von Gruppen viele Gelegenheiten bieten, um Verantwortung zu übernehmen, konstruktiv Feedback zu geben oder Gruppen zu führen. Der Sportverein wird zum Ort guter Erfahrungen.

Dort, wo der Sportverein zum nonformalen Bildungsort wird, erwartet die Gesellschaft zu Recht, dass er Angebote mit qualifiziertem Personal vorhält. Für die Aus-, Fort- und Weiterbildung haben sich die Sportverbände stark aufgestellt und werden dies zukünftig noch intensiver tun.

Wichtig ist aber auch ein Wandel des Selbstverständnisses: Die Akteure und Akteurinnen im Verein, insbesondere die ehrenamtlichen Übungsleiter und Übungsleiterinnen, müssen den Bildungsauftrag positiv annehmen. Der Sport soll dabei keinesfalls in Konkurrenz zu Erziehungs- und Bildungsinstanzen treten, sondern diese ergänzen.

Die Sportvereine verfügen über Mitarbeiter mit sehr vielfältigen Kompetenzen, von denen die BFDler und FSJler profitieren. Freiwillige erhalten eine persönliche Begleitung, die sie in ihrer Entwicklung fördert: Sie werden durch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Träger und Einsatzstellen fachlich angeleitet und bei Fragen und Problemen unterstützt. Dieses sind gleichermaßen Aufgaben der Einsatzstelle – also in der Regel des Sportvereines – wie des Trägers, d.h. der Jugendorganisation im Sport.

In ihrer Gesamtverantwortung für die Qualität und Durchführung des FSJ sind die Träger gehalten, die Einsatzstellen bei ihrer wichtigen und verantwortungsvollen Arbeit zu unterstützen und zu fördern. Denn es sind zuerst die Einsatzstellen, die täglich unmittelbar mit den jungen und älteren Freiwilligen zu tun haben, deren Fähigkeiten und Interessen fördern, Bedürfnisse erkennen, aber auch auf deren Sorgen und Nöte sachkundig und angemessen reagieren müssen. 

Zu den Aufgaben der Träger gehört es, die Anleiter in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu stärken und durch Fortbildungen ihre Kompetenzen zu fördern. Bei Schwierigkeiten oder Konflikten im Einsatzbereich bemühen sich Träger und Einsatzstelle gemeinsam um geeignete Maßnahmen zur Konfliktlösung. Wichtig ist die Zusammenarbeit auch im Bereich der Lernzielvereinbarung. Alle Freiwilligen sollen zu Beginn ihres Dienstes entscheiden, in welchen Bereichen sie sich besonders stark weiterentwickeln wollen. Der Träger führt in die unterschiedlichen Kompetenzen ein, die tatsächliche Diskussion geeigneter Lernziele und die Reflexion über den erfolgreichen Erwerb aber findet in der Einsatzstelle statt.

Es sind die Anleiter, die hier aus ihrem Erfahrungsschatz schöpfen und die Freiwilligen bei ihrem Kompetenzerwerb unterstützen. Dabei repräsentieren sie den Sportverein als erfolgreichen Bildungsort, der Bildungsprozesse ermöglicht und Platz für Selbstwirksamkeitserfahrungen bietet.

(Quelle: DOSB-Presse, Ausgabe 21)


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