Baerwaldbad: Ein Paradebeispiel für Bürgerengagement

Das 1901 erbaute Baerwaldbad in Berlin-Kreuzberg, das zu den Markenzeichen des Stadtbezirkes mit hoher Ausländer- und Migrantenquote zählt, erhält eine außergewöhnliche Auszeichnung.

Alt, ehrwürdig und wunderschön: das Baerwaldbad in Berlin-Kreuzberg ist ein Traum von einem Schwimmbad.
Alt, ehrwürdig und wunderschön: das Baerwaldbad in Berlin-Kreuzberg ist ein Traum von einem Schwimmbad.

Am 19. November wird die Auszeichnung in einem Festakt übergeben. DOSB-Autor Klaus Weise berichtet von der Entwicklung des Baerwaldbades vom reinen Schwimmbad zu einem Zentrum für "Schwimmen und Gesundheitssport".

Europa Nostra, der Dachverband von mehr als 50 europäischen Denkmalschutzorganisationen, hatte das Kreuzberger Bad auf seiner Tagung in Istanbul mit dem Europa Nostra Award ausgezeichnet. 29 Projekte wurden insgesamt für herausragende Leistungen zur Erhaltung des kulturellen Erbes geehrt, fünf aus Deutschland, zwei davon aus Berlin. Neben dem Baerwaldbad war das David Chipperfields Neues Museum. „Das hat uns Schlagzeilen in den Medien gebracht. Fürs Neue Museum gibt es normalerweise ganze Seiten, für uns Dreizeiler“, sagt Joachim Uffelmann (68), der Vorsitzende des Vereins TSB e.V. (Tauchen, Schwimmen, Breitensport), der 2002 eigens gegründet wurde, als die Berliner Bäder-Betriebe (BBB) das Bad endgültig schließen wollten. Der Verein ist seitdem Betreiber der Einrichtung.

10.000 Euro Preisgeld fließen in bauliche Erhaltung

Schon 1998 hatten die BBB das Bad für den öffentlichen Betrieb geschlossen, dann wurden 2000, 2002 und schließlich mit einer geplanten Kürzung von Zahlungen fürs Schulschwimmen Ende 2007 ähnliche Versuche unternommen. Uffelmann und seine Mitstreiter haben es stets geschafft, eine Schließung abzuwenden. „Heute können wir nicht nur sagen, es gibt uns noch. Sondern sogar, es geht voran. Wenn auch langsam und beschwerlich.“

Die Preisverleihung ist dabei eine wichtige Unterstützung, weil sie die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert. Am 19. November sollen Baerwaldbad und das Neue Museum bei einem Festakt im Bad gemeinsam geehrt werden. Die 10.000 Euro Preisgeld für den 1. Preis der Kategorie „Ausbildung und Bewusstseinsbildung“ fließen laut Uffelmann in das laufende Projekt zur baulichen Erhaltung, für das die Summe freilich nur ein Tropfen auf dem heißen Sanierungsstein ist. Allein das Gerüst für die anstehende Arbeit am Tonnengewölbe der historischen Halle kostet 50.000 Euro.

Keine Unterstützung durch Berliner Politik

Auf die Veranstaltung ist Uffelmann, ein Freund direkter und geradliniger Rede, der manchem deshalb als Querkopf gilt, gespannt. Vor allem kritisiert er die Kluft zwischen wohlfeilen Worten und praktischen Taten in Sachen Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements durch die Politik. „Für den Senat gibt es uns quasi nicht, wir sind für die offiziell geschlossen, und diese Haltung ist wie in Beton gegossen“, sagt er. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit habe beim jüngsten Besuch im Stadtbezirk „gekniffen und in Kreuzberg das Baerwaldbad links liegen gelassen“, sagt Uffelmann und ist gespannt auf den Festakt. Zu dem ist nun Stadtentwicklungs-Senatorin Junge-Reyher eingeladen.
Dabei gilt das Baerwaldbad vielen doch als eine wunderbare Geschichte von Bürgerverantwortung und Gestaltungswillen. Nur diesem sei es zu verdanken, dass das Bad überhaupt noch existiere. Das war auch wichtige Erkenntnis eines Aktionswochenendes Mitte September. In der 1901 erbauten Schwimmstätte, mit ihrer einzigartigen, an italienische Renaissance-Paläste erinnernden Architektur ein Kleinod der Hauptstadt, war gleich eine ganze Serie von Veranstaltungen organisiert worden. Unter dem Titel „Fokus Baerwaldbad“ gab es eine Fachtagung zur Verbindung von Ausbildung und Denkmalpflege, in den „Tag des offenen Denkmals“ eingebettete Führungen durch das denkmalgeschützte Gebäude (eine davon in türkischer Sprache), die Eröffnung des neuen Bewegungsraumes für Turnen, Gymnastik und andere Disziplinen, der früher einst Wannenbäder und Duschen beherbergte, sowie eine Benefizveranstaltung. Sowohl die Einnahmen aus dem klassischen Konzert in der alten Halle, der Versteigerung von Kunstobjekten, „Fräulein Winkelmanns Weltmusik“ oder vom „Schwimmen mit Musik“ sollen in die Sanierung des Tonnengewölbes der historischen Halle fließen. „Die Decke bröckelt vielleicht, aber der Elan ist ungebrochen“, stellt Joachim Uffelmann kämpferisch fest. „Mit dem neuen Bewegungsraum gehen wir einen wichtigen Schritt, aus dem reinen Schwimmbad ein Zentrum für 'Schwimmen und Gesundheitssport' werden zu lassen“, sagt er. Rund 800 Mitglieder habe der Verein TSB mittlerweile, eine Verzehnfachung seit 2002. „Damit sind wir an der Kapazitätsgrenze.“ Mit den neuen Räumlichkeiten aber ergeben sich neue Chancen.

170.000 Besucher jährlich nutzen das Bad

Uffelmann spricht von neuen Abteilungen wie Gymnastik, Turnen, Judo, Tanzen. Der Europa Nostra Award hat dem Einsatz für die Erhaltung des Bades neuen Schub gegeben. „Man hat uns gesagt, dass das, was wir hier tun, ein ziemlich einmaliges Modell ist“, sagt er. „Je mehr Öffentlichkeit für unsere Anliegen wir haben, umso schwerer wird es, die Kiste von der Erde weg zu kriegen.“

Rund eine halbe Million Euro braucht der Betreiberverein TSB pro Jahr für den laufenden Betrieb. 170.000 Euro erhält er vom Senat für die Ausrichtung des Schulschwimmens. Weitere Einnahmen aus diversen Fördertöpfen, etwa aus Eintrittsgeldern, kommen hinzu. Eine ausgeglichene Bilanz bleibt dennoch ein betriebswirtschaftliches Kunststück. Jährlich wird das Bad von 170.000 Besuchern genutzt. 70.000 davon sind Schüler (55 Klassen pro Woche), rund 60.000 Mitglieder von Schwimmvereinen. Gut 12.000 Besucher nutzen das Kursangebot im Bad, 28.000 Gäste kommen zu öffentlichen Bade- und Schwimmzeiten und Sonderveranstaltungen. In den vergangenen Jahren sind die Besucherzahlen stetig gestiegen. Jährlich werden von TSB- Mitgliedern rund 140.000 ehrenamtliche Arbeitsstunden abgeleistet.

In der „Deutschen Bauzeitung“ vom 30. Dezember 1901 heißt es über die Räume des Bades: „Sie alle sind in ihrer Herstellung und Ausstattung mit der Würde bedacht, welche einem hervorragenden Monumentalbau der Stadt Berlin zukommt, wenn auch hier nichts über das Nothwendige hinaus geschehen ist.“ Das passt auch gut in die Gegenwart.

Ausführliche Informationen gibt es auf der Website www.projekt-baerwaldbad.de


  • Alt, ehrwürdig und wunderschön: das Baerwaldbad in Berlin-Kreuzberg ist ein Traum von einem Schwimmbad.
    Alt, ehrwürdig und wunderschön: das Baerwaldbad in Berlin-Kreuzberg ist ein Traum von einem Schwimmbad.
  • Von außen betrachtet, erscheint es eher unscheinbar, Fotos: www.projekt-baerwaldbad.de
    Von außen betrachtet, erscheint es eher unscheinbar, Fotos: www.projekt-baerwaldbad.de