Der Wert des Sports bemisst sich nicht am Geld

Das Sportpolitische Forum beim Frühjahrsseminar des Freiburger Kreises (FK) beim Brühler TV kreiste um die Frage „Was ist der Sport der Gesellschaft wert?

"Der Sport hat mit seinen Möglichkeiten für die weitere Sportentwicklung der Gesellschaft hohes Potenzial." Foto: LSB NRW
"Der Sport hat mit seinen Möglichkeiten für die weitere Sportentwicklung der Gesellschaft hohes Potenzial." Foto: LSB NRW

Sie wurde mehrfach variiert: Was ist die Gesellschaft dem Sport wert? Was ist der Breitensport der Gesellschaft wert? Was sind der Gesellschaft die Sportvereine wert? Christian Breuer, Aktivensprecher des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und Vorstandsmitglied, Gerhard Böhm, Leiter der Abteilung Sport im Bundesinnenministerium (BMI), Reinhard Rawe, Direktor des LSB Niedersachsen und Uwe Lübking, Deutscher Städte- und Gemeindebund, versuchten sich an Antworten.

Spitzensport-, Breitensport- und Vereinsförderung, Ganztag, Jugend trainiert für Olympia, Deutsche Sportlotterie, Wertstellung und Wertschätzung der gesellschaftlichen Leistung des Kulturgutes Sport. Alles kam aufs Tapet. Defizite bei der Effektivität und Effizienz, Selbstbewusstsein, Selbstkritik und Selbstverantwortung wurden ausgemacht: Immer wieder war die Runde beim Geld (Finanzierung), beim Reform- und Investitionsstau in den Vereinen, Verbänden und in den Kommunen sowie bei Bund und Ländern.

Alle Kronzeugen waren sich einig: Mehr Geld löst die Probleme nicht automatisch. Inzwischen sind Sport und Politik auf den Trichter gekommen, sich Förderstrukturen und der Verteilung der Gelder vorzunehmen. Bürokratische Hindernisse, zum Teil Jahrzehnte alte Gewohnheiten und Kompetenz-Gerangel um Zuständigkeiten und Verteilerschlüssel verstellen den Blick für angemessene, unbürokratische Sportförderung. Es fehlt an Transparenz und qualifizierten Ansprechpartnern, vor allem aber an Gestaltungsteilhabe des Sports und der Vereine in den Kommunen.

Mit der Abwertung oder Einsparung der Sportämter ist die Einflussnahme verkümmert. Bei der kommunalen Entwicklung, selbst bei Sportentwicklungsplänen und Sportförderung stehen Vereine häufig vor vollendeten Tatsachen – ohne gefragt worden zu sein und Sachverstand einbringen zu können. Hier kam die Empfehlung aus den FK-Vereinen, die Politikfähigkeit zu stärken, die in den neunziger Jahren vom FK entwickelten Stadt-Foren Sport aufleben zu lassen und sich zugleich in den Parlamenten und Ausschüssen, selbstbewusst und qualifiziert einzumischen.

Das tolle Produkt Sport als Wert und Chance vermitteln

Reinhard Rawe brachte es auf den Punkt: „Positives nach außen tragen, aktiv werden.“ Das tolle Produkt Sport gelte es selbstbewusst als Wert und Chance für die Gesellschaft zu vermitteln: „Dafür brauchen wir Mitstreiter.“ Für Christian Breuer, den früheren Eisschnelllauf-Meister, zählt investive Sportförderung die direkt ankommt und weniger die Forderung nach mehr Geld. Der DOSB durchforste alle Strukturen im Spitzensport - Olympiastützpunkte, Leistungszentren bis zu den Eliteschulen - auf wirtschaftliche Arbeit und effiziente Mittelverteilung. Aufzuarbeiten sei zwischen Anzahl der Kader und der Struktur „Wo bleiben die Athleten mit der Qualität für diese Kader.“ Gerhard Böhm wusste: „Der Sport ist der einzige Titel im BMI-Etat, der wächst.“ Acht Millionen packt Berlin auf die 250 Millionen jährlich drauf auf die Spitzensport-Förderung. „Das wird auch in den nächsten Jahren so bleiben.“

Aber alle Diskutanten waren sich einig: Eigentlich ist genug Geld unterwegs, abgesehen von punktuellen Forderungen. Es hapert an der Verteilung. Böhm: „Wir müssen das Geld anders anlegen, damit es nicht versandet in den Strukturen von vor 30, 40 Jahren. Der Sport muss auch einmal ein bisschen an sich selber arbeiten.“ Für Uwe Lübking liegt eine Krux darin, dass 35 Prozent der Kommunen inzwischen unter den Rettungsschirm schlüpften und Städte und Gemeinden unter 48 Milliarden Euro Bankkrediten ächzen, die eigentlich nicht erlaubt sind. Doch selbst unter kommunaler Haushaltssicherung sieht er Spielraum zur Sportförderung, beispielsweise als anerkannter Träger der Jugendhilfe, obwohl in vielen der 16 Bundesländer Sport als freiwillige und nicht als Pflichtaufgabe verbrieft ist. Lübking: „Es gibt einen Investitionsstau bei den Kommunen. Wir müssen nicht nach mehr Geld rufen. Wir müssen danach schauen, wie wir Finanzmittel effektiv einsetzen.“ Unter der Teilhabe des Sports. Das verlangt auch Solidarität.

Reinhard Rawe: „Ich würde mir einen gesamtpolitischen Diskurs der Befürworter und Kritiker wünschen, was die Wertstellung des Sports in der Gesellschaft sein kann. Der Sport hat mit seinen Möglichkeiten für die weitere Sportentwicklung der Gesellschaft hohes Potenzial.“ Integrative Stadtentwicklung, Inklusion, Jugendförderung. Ganztag - mit allen Nöten und Problemen der Vereine vor Ort. Gerhard Böhm erklärte zum Investitionsstau von 42 Milliarden Euro bei den Sportstätten: „Das Problem ist, wir brauchen eine größere Ehrlichkeit.“ Dazu zählt er, dass Spitzensportförderung (Bund) zwei Prozent der Haushalte ausmacht, im Breitensport (Länder, Kommunen) jedoch von der öffentlichen Hand drei Milliarden Euro pro Jahr investiert werden.

Zukunft von "Jugend trainiert für Olympia"

Das aktuelle Tauziehen um die Zukunft des Schulwettbewerbs „Jugend trainiert für Olympia“ spiegelt das Dilemma werthaltiger Sportförderung wieder. Der Bund halbiert 2014 den Zuschuss (700 000 Euro) und streicht ihn 2015 ganz. Nach 45 Jahren erkennt das BMI plötzlich, dass es für den Schulsport nicht zuständig ist. Die Länder sehen in dieser Entscheidung die Retourkutsche, dass sie sich an der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) lediglich mit 149.667 Euro im Jahr beteiligen. Böhm sagt, der BMI-Zuschuss fließe künftig 1:1 in den Behinderten-Sport. Er beruft sich auf Stimmen aus dem DOSB und dem Behindertensportverband, der Schulsportwettbewerb bringe gar nichts für den Spitzensport. Rawe: „Eine Diskussion, die insgesamt dem Sport schadet.“ Für Christian Breuer hat sie ein Gutes: „Die Länder erkennen, was für ein hervorragendes Produkt hier über die Jahre schlummert.“

(Quelle: DOSB-Presse, Ausgabe 23, Hans-Peter Seubert)


  • "Der Sport hat mit seinen Möglichkeiten für die weitere Sportentwicklung der Gesellschaft hohes Potenzial." Foto: LSB NRW
    "Der Sport hat mit seinen Möglichkeiten für die weitere Sportentwicklung der Gesellschaft hohes Potenzial." Foto: LSB NRW