„In unserem eigenen Umfeld wird der Verein sehr geschätzt“

In guter Tradition hatte der Geschäftsbereich Sportentwicklung des DOSB nach Berlin zu seiner jährlichen Konferenz geladen. Diesmal war das Thema „Mut zur Wertschätzung! Was Vereinssport leistet.“

Auf dem Podium diskutierten Eike Holtzhauer, Eva Lohse, Franz Münterfering, Moderator Clemens Löcker, Sylvia Schenk und Ekkehard Wienholtz (v.l.).
Auf dem Podium diskutierten Eike Holtzhauer, Eva Lohse, Franz Münterfering, Moderator Clemens Löcker, Sylvia Schenk und Ekkehard Wienholtz (v.l.).

Braucht man Mut, um seine Arbeit zu schätzen? Oder braucht man Mut, sie anderen darzustellen? Im ersten Moment verwirrte das Thema manche Teilnehmerinnen und Teilnehmer, doch DOSB-Präsident Alfons Hörmann brachte sie auf den richtigen Weg. „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass viele  Sinnmuster  unserer Vereine, wie z.B. Gemeinschaft und Geselligkeit, ihre Orientierung an Gemeinwohl oder Fairness, im Zeitalter von Digitalisierung, Vereinzelung  und Geiz-ist-geil-Slogans  als altmodisch angesehen werden“, sagte Hörmann, der betonte, dass natürlich auch Vereine mit der Zeit gehen müssten. Aber: „Die traditionellen Werte und Sinnmuster unserer Vereine sind weder veraltet noch altmodisch, sondern hoch aktuell.“ Und da hat der Präsident Recht. Denn wo sonst werden Werte wie  Zusammenhalt, Teamgeist, Solidarität oder Fairplay mehr vermittelt als im Sportverein?

Weltweit werden die Deutschen um ihre Vereinsstruktur beneidet. Also dann sollte man doch „das, für was wir stehen, auch etwas selbstbewusster vertreten“,meinte Hörmann.

"Tradition verpflichtet"

Einer, der das tut, weil er weiß, was „seine Vereine“ zu bieten haben, ist Vizepräsident Walter Schneeloch, der sicher gerne gehört hat, was Professor  Michael Krüger aus Münster  in seinem <media 51155 _blank download "TEXT, Vereine-Berlin 2014-Textversion , Vereine-Berlin_2014-Textversion_.pdf, 554 KB">Initiates file downloadImpulsvortrag „Tradition verpflichtet: Herausforderungen für den Vereinssport“</media> beispielsweise über die gesellschaftliche Rolle damals und heute gesagt hat. „Politische Neutralität und gemeinschaftsbildende, nützliche Aufgaben für Staat und Gesellschaft zu leisten, ist im Grunde  bis heute der Anspruch des in Vereinen und Verbänden organisierten Sports in Deutschland geblieben“, so der Sporthistoriker in seiner sportpolitischen Zeitreise von den kämpferischen Turnern des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Zum Abschluss fasste er aus der 150jährigen Geschichte von Turnen und  Sport in Vereinen und Verbänden in einem Zehn-Punkte-Programm Empfehlungen für die künftige Arbeit zusammen.

Schneeloch verwies stolz auf das immer größer werdende Angebotsspektrum der Vereine und Qualifizierungskonzepte. Und auf eine wachsende Zahl von Institutionen oder Organisationen, die den Sport als wichtigen Partner sehen. Doch  allein Wachstum, das  Argument der großen Zahl, also die 91 000 Vereine und Millionen von Mitgliedern sowie das Leistungsspektrum könnten nicht das Sinnmuster der Sportvereine begründen, meinte Schneeloch. Man müsse eine ideelle Positionsbestimmung und Grenzziehung vornehmen, die nicht einengen soll, „sondern eine orientierende und damit ganz existenzielle Funktion hat“.

Man müsse beispielsweise das Wertefundament überprüfen, das Ommo Grupe, Nestor der  deutschen Sportwissenschaft, entworfen hat. Er beschrieb Vereine als  soziale und gemeinnützige Einrichtungen, die pädagogisch und erzieherisch arbeiten.

Muss man aber Unfairness hinnehmen, weil, wie Grupe sagt, dies das klassische Prinzip des Sports ist? „Sollten wir uns damit abfinden? Oder sollten wir vielmehr das, was an Fairness tagtäglich im Verein gelebt wird, deutlicher und positiver  herausstellen?“, so Schneeloch.

Vereine als "Lückenfüller"

Fragen, auf die eine Podiumsrunde die eine oder andere Antwort geben konnte. „Wird der Sport genug wertgeschätzt in der Politik und  in den Kommunen?“ fragte Moderator Clemens Löcke die Vizepräsidentin des Deutschen Städtetages, Eva Lohse und Ekkehard Wienholtz, den ehemaligen Innenminister von Schleswig-Holstein  und DOSB-Ehrenmitglied. Städte und Kommunen wüssten den Stellenwert des Sports und der Vereine  genau einzuschätzen und wertzuschätzen, vor allem auch deren Leistungen. „Es gibt nahezu überall eine enge Zusammenarbeit, denn man braucht sich ja auch wechselseitig“, betonte Lohse. Wienholtz beklagte, dass Vereine oft nicht so eine Wertschätzung erlebten, wie ihnen gebühre, und dass ihnen häufig die Funktion als „Lückenfüller“ zugewiesen werde. Beispiel Ganztagsschule. Da werde nicht auf Augenhöhe verhandelt, der Schulträger sage, wie es zu laufen habe. „Die Vereine sind da zu wenig politikfähig.“ Vielleicht auch zu wenig selbstbewusst, meinte Sylvia Schenk von Transparency International Deutschland, die am Abend den DOSB-Ethik-Preis für ihre Organisationen entgegennehmen konnte. Die ehemalige Mittelstrecklerin sagte, dass man den Vereinen Mut machen müsse, damit sie selbstbewusst das Positive herausstellten und nicht nur Probleme herbeiredeten.

Probleme sehen, anpacken und zu lösen versuchen: Da steigt auch das Selbstbewusstsein und die Wertschätzung des Vereins und dessen Arbeit. So  sieht es Eike Holtzhauer, 2. Vorsitzender des Todtglüsinger SV von 1930 e.V. „ In unserem  eigen Umfeld wird der Verein sehr geschätzt. Und ohne die Menschen im Verein könnten wir nicht so tolle Arbeit  leisten. Natürlich brauchen wir auch entsprechend finanzielle Mittel, aber wir wissen, dass die Mittel begrenzt sind. Wir müssen das Beste daraus machen, denn diejenigen, die zu uns kommen, wollen in eine heile Welt kommen und nicht in ein Mangelsystem. Deshalb versuchen wir aus eigener Kraft  Projekte zu stemmen, was uns  unabhängig macht und Anerkennung bringt.“ Sein Verein kümmert sich unter anderem seit acht Jahren um Jugendliche, die vom Gericht zu Sozialstunden verdonnert wurden, und um Jugendliche, die Freizeitarrest absitzen müssen. Derzeit bietet der Klub Asylbewerbern Programme an, wo sie ein paar Stunden unbeschwert sein können. „Das tut uns allen gut“, sagt Holtzhauer.

Ehrenamtlichkeit den richtigen Stellenwert geben

Sport tut allen gut, vor allem einer Gesellschaft, die immer älter wird. Franz Müntefering, Bundesminister a. D., ist der ideale Sportbotschafter. Er plädiert für  Bewegung und gesunde Ernährung, damit man gesund bis ins hohe Alter sein kann. „Vereine haben die Potentiale und Strukturen, um Bewegung zu erlernen für ein lebenslanges Wohlfühlen“ sagte Müntefering, der sich  gerne mit der  „Bewegungsverhinderungsgesellschaft“ anlegt, die man etwa am Bahnhof gut beobachten kann, wenn sie sich auf der Rolltreppe in die Hacken tritt, anstatt zu Fuß die normale Treppe zu nehmen. Unschätzbar wichtig seien die Vereine auch noch aus einem anderen Grund, sagt der Politiker: Menschen aus der Einsamkeit zu holen. Bewegung und soziale Kontakte – das sorgt für mehr Lebensqualität im hohen Alter. Doch, um diese Werte zu erhalten, braucht es viel Engagement und Ehrenamt. Daran, so sagt Müntefering, müsse man arbeiten: Junge Menschen suchen, die im Verein ein Ehrenamt übernehmen. Das heißt dann auch: Dieser Ehrenamtlichkeit den richtigen Stellenwert geben.

Am zweiten Tag der Konferenz lud der DOSB in ein sogenanntes World Café, eine Art überdimensionale Kaffeepause ein, wo „intensive Gespräche geführt und oft neue Ideen geboren werden“, wie das Moderationsteam von der Führungs-Akademie, Gabi Freytag und Daniel Illmer, motivierend erläuterte. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wechselten in jeweils drei Runden immer wieder die Diskussionstische und Gesprächspartner. Das Moderatoren-Duo steuerte das Plenum mit drei Fragen durch die Wertediskussion: „Was müssen wir in den Blick nehmen, um zu erkennen, welche Werte die Sportvereine im Alltag leiten und leben?“ und „Was müssen wir ändern, um das, was die Sportvereine heute `Wertvolles´ leisten, nach außen besser deutlich machen zu können.“ Am Ende dieses kommunikativen Austauschs stand dann die Frage, welche Erkenntnisse aus den Diskussionen gefiltert werden können. Dabei wurde deutlich, wie wichtig es ist, die in den Vereinen gelebten Werte wie Gemeinschaft, Geselligkeit oder Fairness sichtbar und erlebbar zu machen, und wie anspruchsvoll diese Aufgabe zugleich ist. Daher müssten sich Verantwortliche in den Sportverbänden – so ein Teilnehmer – auch darüber im Klaren werden, wie dieses Thema in die Qualifizierungsangebote des Sports aufgenommen werden könne; eine Aussage, die bei Vielen Zustimmung fand. Karin Fehres, Direktorin Sportentwicklung im DOSB, sagte in ihrem Fazit der Veranstaltung: „Die Tagung hat eine wichtige Verständigung darüber gebracht, welche Bedeutung Werte und Wertvorstellungen des Vereinssports haben und wie sie vermittelt und weiterentwickelt werden können.“ Fehres schlug den Bogen zu den möglichen Bewerbungen um Olympische Sommerspiele: “Die Selbstvergewisserung über die Stärken des Vereinssports ist schließlich auch eine unverzichtbare Grundlage für die anstehenden Diskussionen in unserer Gesellschaft um Olympische und Paralympische Spiele in Deutschland.“

(Quelle: DOSB)


  • Auf dem Podium diskutierten Eike Holtzhauer, Eva Lohse, Franz Münterfering, Moderator Clemens Löcker, Sylvia Schenk und Ekkehard Wienholtz (v.l.).
    Auf dem Podium diskutierten Eike Holtzhauer, Eva Lohse, Franz Münterfering, Moderator Clemens Löcker, Sylvia Schenk und Ekkehard Wienholtz (v.l.).
  • Prof. Michael Krüger bei seinem Vortrag.
    Prof. Michael Krüger bei seinem Vortrag.
  • DOSB-Präsident Alfons Hörmann präsentiert das neue Buch "Sport gestaltet Gesellschaft". Fotos: DOSB/Oliver Mehlis
    DOSB-Präsident Alfons Hörmann präsentiert das neue Buch "Sport gestaltet Gesellschaft". Fotos: DOSB/Oliver Mehlis