Klimaschutz im Sport (7): Klimatransalp

In einer zehnteiligen Reihe stellt der DOSB anhand verschiedener Praxisbeispiele aus dem Sport mögliche Ansatzpunkte für Klimaschutz vor und ruft zu mehr Engagement auf.

 

Gletscherzunge des Morteratschgletscher im Schweizer Oberengadin. Foto: picture-alliance
Gletscherzunge des Morteratschgletscher im Schweizer Oberengadin. Foto: picture-alliance

Klimaschutz spielt auch im Sport eine immer größere Rolle. Die Handlungsfelder sind dabei vielseitig: ob energieeffiziente Sportstätten, Ressourcenschutz im Verein, umweltfreundliche Sport(groß)veranstaltungen oder klimafreundliche Verkehrskonzepte. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten aktiv zu werden – sei es auf den Ebenen der Sportverbände, der Vereine oder der Sportaktiven. Dies bringt nicht nur Vorteile für den Klimaschutz, sondern auch für die Sportorganisationen. Hierzu zählen zum Beispiels Kostenersparnisse, Imagegewinn und neue Handlungsmöglichkeiten. Der DOSB hat im Sommer 2009 die Initiative „Klimaschutz im Sport“ gestartet, die vom Bundesumweltministerium gefördert wird. Ziel ist es, auf die Handlungsmöglichkeiten des Sports in diesem Themenfeld aufmerksam zu machen und entsprechende Aktivitäten anzuregen. Hierzu wurden bereits verschiedene Maßnahmen umgesetzt wie beispielsweise das DOSB-Internetportal www.klimaschutz-im-sport.de, der Förderwettbewerb für Sportverbände oder der Wettbewerb „Klimaschutz im Sportverein“. In einer zehnteiligen Artikelreihe zeigt der DOSB einmal pro Monat anhand verschiedener Praxisbeispiele aus dem Sport mögliche Ansatzpunkte und ruft zu Engagement für den Klimaschutz auf.

Mit einer anspruchsvollen Kombination von sportlicher Hochleistung und Engagement für Umweltbildung hat die Jugend des Deutschen Alpenvereins (JDAV) im August 2010 ganz neue Wege beschritten – genau genommen, befahren: eine Alpenquerung auf dem Mountainbikes im Zeichen des Klimaschutzes innerhalb von acht Tagen. Klimatransalp tauften die Initiatoren Josef und Katharina Schröttle ihr ganz besonderes erlebnispädagogisches Projekt.

Nach nur einem halben Jahr Vorbereitungszeit machten sich drei junge Frauen und neun junge Männer auf den Weg von Garmisch-Partenkirchen nach Colico am Comer See. Eine der Teilnehmerinnen, Sara Gfrörer, agierte dabei zusätzlich als Kamerafrau. Auf einem Teil der Strecke wurde die Gruppe von einem Journalisten des Bayerischen Rundfunks begleitet.

Die Ziele in der Ausschreibung waren hoch gesteckt: „Dabei wollen wir durch atemberaubende Landschaften streifen, tolle Trails fahren und mehr über den Klimawandel erfahren. Wir werden vor Ort mit Hüttenwirten, Bergbauern, Nationalparkbetreibern und weiteren Betroffenen reden, uns ein Bild vom Gletscherschwund machen und den ältesten Nationalpark der Alpen in der Schweiz besuchen. Am Ende wollen wir im Lago die Como baden gehen“, so die ambitionierte Einladung zur Transalp. Kondition für über 100 Kilometer am Tag in der Ebene und ca. 1.200 Höhenmeter waren gefordert. Neben dem persönlichen Gepäck wurde auch noch die komplette Videoausrüstung mit auf die Räder geladen.

Auswirkungen der Erderwärmung auf die Region Garmisch-Partenkrichen

Die Tour war nicht von Wetterglück verfolgt. Die Alpen zeigten sich mit jeder Menge Regen und Kälte von ihrer unangenehmsten Seite. „Gefühlte Temperaturen um den Gefrierpunkt“, so Katharina Schröttle, bedeuteten für die Mountainbiker zusätzliche Strapazen. Gleich am ersten Tag ging es von Garmisch hinauf Richtung Zugspitze und über den Fernpass nach Imst. Fünf Stunden saßen die JDAV’ler im Sattel und gerieten trotz einer langen Abfahrt vom Fernpass ins Inntal in Zeitnot. Gründe waren Fahrradpannen und ein interessantes Interview mit dem stellvertretenden Bürgermeister von Garmisch-Partenkirchen Hannes Krätz gleich zum Transalp-Start.

Krätz stellte öffentlich die Frage, was mit der Haupteinnahme Skitourismus in 15 bis 20 Jahren sein wird, wenn der Klimawandel so voranschreitet und sah die Notwendigkeit, schon heute über zukünftigen Folgen der Erderwärmung für das Wohlergehen der Region Garmisch-Partenkirchen nachzudenken.

Wasserkraft auf dem Tourplan

Auf den nächsten beiden Etappen stand die Bedeutung der regenerativen Energie Wasserkraft auf dem Tourplan. In Imst und am Reschensee wurden große Anlagen in Augenschein genommen, die schon eine sehr lange Geschichte haben. Lange vor der Klimadiskussion, schon 1905, in einer frühen Phase des Ausbaus der Stromnetze.  wurde Wasserkraft zu einem zentralen Baustein der Energieversorgung in den Alpen. Allein in Imst werden heute knapp 10% des Strombedarfs von Tirol erzeugt.

Am südtiroler Reschensee dokumentieren zwei in den Fluten versenkte Dörfer die Strukturveränderung und die Härten für die Bevölkerung durch die Anlage von großen Stauseen. Wolfgang Stroppa vom Kraftwerk Imst stellte denn auch in Frage, dass mit neuen Wasserkraftanlagen der zukünftige Energiebedarf gedeckt werden könnte und mahnte ein Umdenken an. Kurt Ziernöld, Präsident der Kaufleute in Pfunds im österreichischen Tirol, erinnerte daran, dass mit Strom aus Wasserkraft immer schon große Geschäfte gemacht wurden. Auch seien die Touristen gleichgültig gegenüber der Frage, wie der Strom erzeugt wird.

Mehr Vegetation in 3.000 Metern durch Klimawandel

Fahrerisch anspruchsvoll führte die Klimatransalp über den Ofenpass ins schweizerische Zernez. Bis auf 2.149 Meter Passhöhe quälten sich die zwölf Klimaradler zur Wasserscheide zwischen Inn- und Etschtal.

Im ältesten Nationalpark der Alpen in Zernez informierte der Nationalparkdirektor Heinrich Haller über die Veränderungen in der Vegetation durch den Klimawandel. Die Grenzen der Vegetationszonen verschöben sich nach oben. Junge Waldbäume wachsen heute in deutlich größeren Höhen. Auch sei die Vegetation in 3.000 Meter deutlich reichhaltiger als vor Jahrzehnten, was eine Folge des Klimawandels sei.

Schon 1914 wurde das Nationalparkgebiet unter Schutz gestellt und sich selbst überlassen. Naturschutz, Forschung und Information stehen auf der Agenda des Totalreservats, das über ein großen Besucherzentrum und ein hypermodernes Naturkundemuseum verfügt.

Der Energieingenieur Ullrich Scheuss klärte über die Zunahme des Klimakillers CO2 in der Atmosphäre auf und wies darauf hin, dass es immer noch zu einer massiven Beschleunigung des Temperaturanstiegs kommt.

Wanderung auf dem Morteratschgletscher

Unstrittiger Höhepunkt der Transalp war die Station in dem mondänen Tourismusort Pontresina im schweizerischen Oberengadin. Die Gletscherregion zeigte die ganze Dimension von Erderwärmung und Klimawandel. Nicht mit dem Rad sondern zu Fuß ging es zum Morteratschgletscher. Auf einer langen Strecke führte der Wanderweg in knapp 2.000 Meter Höhe über Gebiete, die Ende des 19. Jahrhunderts noch mit Eis bedeckt waren. 1878 war der Gletscher 8,6 Kilometer lang, 2008 wurde nur noch 6,4 Kilometer gemessen. Allein im heißen Jahr 2003 schmolz die Gletscherzunge um 77 Meter. Durch die Abschmelzungen wurde 2008 ein großes Höhlensystem sichtbar, das durch Schmelzwasser im Eis entstanden ist.

Ein Vortrag des Gletscherwissenschaftlers und Leiter des Europäischen Tourismus Institutes in Samedan, Felix Keller, zeigte den Transalpinisten in direkter Nachbarschaft vom Morteratschgletscher vor Ort die ganze Dimension des Klimawandels.

Während der Transalp hatten die Teilnehmer auch Touristen nach dem Klimawandel gefragt und immer wieder Zweifel an dessen Existenz gehört. Geäußert wurde sogar, dass der Klimawandel Vorteile für den Tourismus bringen könnte, da es auch in große Höhen wärmer würde. Dem Widersprach Glaziologe Felix Keller deutlich und prophezeite denjenigen, die vom Klimawandel Vorteile erhoffen, mit Schweizer Zurückhaltung eine Täuschung.

Klimaschutz als Herzensangelegenheit

Mit einem Kulturprojekt weckt Keller gezielt Emotionen, um den Klimawandel zu verdeutlichen. Die Swiss Ice Fiddlers, mit Felix Keller; an der Violine verbinden Folkmusik, Landschaftsfotografie, animierte Märchen und Gletscherwissenschaft mit der Einmaligkeit und der Faszination der Eiswelt des Hochgebirges. Das, so die Swiss Ice Fiddlers auf ihrer Homepage, wird kombiniert mit Gaumenfreuden und löst bezaubernde Effekte aus, die den Klimaschutz zur Herzensangelegenheit werden lassen.

Bei den Transalp-Teilnehmern hatte Keller damit vollen Erfolg. Für sie waren der Glaziologe und der Morteratschgletscher der Höhepunkt und eine Wendepunkt, an dem allen deutlich wurde, dass ein Umdenken und eine Verhaltensänderung im Alltag notwendig sind, um den Klimawan-del mit seinen schädlichen Folgen für Mensch und Natur zu verlangsamen.

Auf den Morteratschgletscher folgte die beeindruckendste Abfahrt der Transalp. 900 Höhenmeter ging es bergab zum Teil auf anspruchsvollen, steinigen Trial-Passagen über 100 Kilometer. Zum Schluss glückte dann doch bei gutem Wetter in Colcio das Bad im Comer See.

20minütige Filmdokumentation

Die Klimatransalp ging nach acht Tagen mit einer beachtlichen Bilanz zu Ende. 450 sportliche Rad-Kilometer auf 4.500 Höhenmeter hatte die Gruppe durch vier Länder in den Alpen bei zum Teil widrigen Bedingungen gefahren. 30 Interviews wurden geführt mit Politikern, Touristen, Tourismusexperten, Bergbauern und Wissenschaftlern. Eine beeindruckende 20minütige Filmdokumentation der Transalp ist fertig gestellt.

Der Film informiert über den Klimawandel in den Alpen aus dem persönlichen Erleben der radelnden Transalpinisten und wird in der Umweltbildung und der Öffentlichkeitsarbeit des JDAV eingesetzt werden. Auch internationale Kontakte werden über das Filmprojekt geknüpft. In Südamerika waren Umweltschützer in einer ähnlichen Aktion von Quito in Ecuador zu Igazu-Wasserfällen an der brasilianisch-argentinischen Grenze unterwegs. 

(Autor: Bernd-Olaf Hagedorn)


  • Gletscherzunge des Morteratschgletscher im Schweizer Oberengadin. Foto: picture-alliance
    Gletscherzunge des Morteratschgletscher im Schweizer Oberengadin. Foto: picture-alliance