"Kooperierende Sport- und Stadtentwicklung ist Win-Win-Situation"

Walter Schneeloch, DOSB-Vizepräsidenten Breitensport/Sportentwicklung, spricht sich im Interview für das Leitbild einer "sportfreundlichen Stadt" aus.

Walter Schneeloch spricht sich für sportfreundliche Städte aus. Foto: DOSB
Walter Schneeloch spricht sich für sportfreundliche Städte aus. Foto: DOSB

Was macht eigentlich eine lebenswerte Stadt aus?

WALTER SCHNEELOCH: Eine lebenswerte Stadt muss heute nicht mehr nur die zentralen Bedürfnisse der Menschen befriedigen und entsprechend Infrastruktur für Arbeit, Wohnen und Mobilität vorhalten. Darüber hinaus müssen Städte zukünftig noch stärker als bisher über wohnortnahe attraktive öffentliche Räume für Kultur sowie natürlich für Sport, Spiel und Bewegung verfügen. Die Verbesserung der Lebensqualität vor Ort setzt ausreichende und zeitgemäße Sporträume für alle Alters- und Bevölkerungsgruppen voraus. Das Leitbild der „autogerechten Stadt“ hat die Lebensqualität sowie die Sport- und Bewegungsbedürfnisse der Menschen in hohem Maße beeinträchtigt – entsprechend sollte das Leitbild der „sportfreundlichen Stadt“ in Zukunft eine viel höhere politische und planerische Bedeutung bekommen.

Stadtentwicklung ist heute nicht mehr nur die Aufgabe von Politik und Verwaltung. Immer mehr gesellschaftliche Gruppen beteiligen sich an entsprechenden Prozessen. Welche Möglichkeiten besitzt der organisierte Sport?

Unsere Kommunen stehen vor vielfältigen Herausforderungen: vom demographischen Wandel über sozialräumliche Polarisierungen und Bildungsreformen bis hin zur Zunahme lebensstilbedingter Erkrankungen. Die herkömmlichen öffentlichen Steuerungsinstrumente zur Gestaltung dieser Herausforderungen reichen schon lange nicht mehr aus. Die Stadtentwicklung in Deutschland braucht neue Partner, Partner wie die 91.000 Sportvereine unter dem Dach des DOSB! Unser flächendeckendes Vereinsspektrum trägt in hohem Maße zum Gemeinwohl in Deutschland und zum Kitt unserer Gesellschaft bei. Sportvereine sind nicht mehr nur Deutschlands Sportanbieter Nummer eins, sondern Kooperationspartner der Ganztagsschulen und Jugendämter, Anbieter von Sport und Bewegung für Ältere und Hochaltrige und Integrationsmotor für Menschen mit Migrationshintergrund. Sport und Sportvereine machen Städte und Gemeinden zu Orten mit hoher Lebensqualität und sind Deutschlands größter Präventionsanbieter.

Was können Sportorganisationen über den Bau oder Betrieb von Sportstätten hinaus für die Stadtentwicklung leisten?

Zunächst ist hervorzuheben, dass Deutschlands Sportvereine in hohem Maße und zunehmend zur Sportraumversorgung mit eigenen Sportanlagen beitragen. Diese Anlagen des Breiten- und Vereinssports vor Ort sind nicht nur Voraussetzungen für Sportaktivität, sondern auch Plattformen der örtlichen Gemeinschaft und ein Beitrag zur Wertigkeit von Stadtteilen. Bund, Länder und Kommunen sollten Sportvereine noch umfassender in ihre politischen Handlungsstrategien einbeziehen, denn sie sind immer öfter wichtiger Partner in kommunalen Kooperationen sowie lokalen Netzwerken und können zentrale Beiträge zur Gestaltung gesellschaftspolitischer Herausforderungen leisten.

Wo sieht der DOSB den Nutzen einer Kooperation Sport und Stadtentwicklung? Wo ist noch Handlungsbedarf?

Die Kooperation zwischen Sport bzw. Sportvereinen und der Stadtentwicklung ist eine klassische „Win-Win-Situation“. Die Sportvereine erweitern durch Zusammenarbeit ihre Handlungsmöglichkeiten und verbessern ihre Zukunftsfähigkeit. Und Stadtplanung und –Entwicklung haben bereits verstanden, dass ohne bürgerschaftliches Engagement die zentralen Probleme alleine durch den Staat und die Stadt nicht gelöst werden können. Auf dieser Basis kann man aufbauen: Wir brauchen noch mehr strategische und „festere“ Formen der Zusammenarbeit, denn noch zu häufig bestimmt der Zufall darüber, ob sich eine gelingende Kooperation aufbaut. Und grundsätzlich gilt: Kooperation muss man auch wollen: Die Sportorganisationen müssen auf Kommunalpolitik und -verwaltung zugehen und diese auf die Vereine! Schließlich könnte es auch nicht schaden, wenn die Instrumente der Städtebauförderung den Sport und die Sportvereine noch umfassender berücksichtigen würden.

(Quelle: DOSB-Presse, Ausgabe 41)


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