LSB-Forum Rheinland-Pfalz: Dilemma der Auslastungsplanung

Mit der Einführung von Nutzungsgebühren für Sportstätten oder deren Schließung können Kommunen schlechterdings eine Abwärtsspirale der Standortqualität einleiten.

Sporthallen sind vorhanden, werden aber oft nicht optimal genutzt. Foto: LSB NRW
Sporthallen sind vorhanden, werden aber oft nicht optimal genutzt. Foto: LSB NRW

Könnte ein Sportverein das nämlich nicht kompensieren, würde er sein Angebot einschränken müssen - mit allen negativen Folgen für die Kommune. Mit mehr ehrenamtlichem Engagement oder höheren Mitgliedsbeiträgen müssten von einem Sportverein steigende Fixkosten kompensiert werden, wenn eine Kommune für die Bereitstellung und Instandhaltung von Sportstätten eine Rechnung stellen würde. "Aber bevor wir darüber lamentieren, dass Sportstätten kostenpflichtig oder gar geschlossen werden, sollten wir überlegen, wie wir die Effizienz der Sportstättenbereitstellung optimieren", stellte Prof. Dr. Eike Emrich, Vorsitzender des Kuratoriums Sportwissenschaft des Landessportbundes Rheinland-Pfalz, beim LSB-Forum unter dem Motto "Ergebnisse und Folgen von kommunalen Sportentwicklungsplanungen - Vom ausgewählten Beispiel zu allgemeinen Richtlinien" heraus, zu dem der Landessportbund und die kommunalen Spitzenverbände in die Europäische Akademie des Sports nach Trier geladen hatten.

Sport ist wichtiger Standortfaktor

Wie Emrich vor fast 80 Vertretern von Kommunen, Kreisen, Sportverbänden und -vereinen ausführte, produziert Sport als Standortfaktor Konsumwirkung, Imagewirkung, subjektive Lebenszufriedenheit und Gesundheit. Ganz aktuell nahm der Experte Bezug auf eine Radio-Meldung, wonach die Einwohnerzahl von Pirmasens in den vergangenen Jahren von 60.000 auf 40.000 gesunken sei und die Stadt in der Westpfalz mit im Schnitt 10.000 Euro "Miesen" pro Kopf zugleich als eine der am höchsten verschuldeten Städte der Republik dastehe. Würde Pirmasens nun die Zahl der Sportstätten reduzieren, würde laut Emrich eine Spirale nach unten einsetzen. Ohne die Anreize durch Sport, Kultur und Freizeit - die so genannten weichen Standortfaktoren - würde die Stadt noch weniger attraktiv werden. "Insofern ist die Ausstattung mit Sportstätten und deren Erhalt ein wesentlicher Faktor", so Emrich, nach dessen Erkenntnissen die subjektive Lebenszufriedenheit tatsächlich etwas mit der Ausstattung einer Kommune mit Sportstätten zu tun hat.

Ausdrücklich betonte Emrich, dass er keine volkswirtschaftliche Effizienzfrage stelle, ob man Sportförderung gegen Kulturförderung aufrechnen solle. "Dass Kultur ein Wert an sich ist, ist festgelegt", sagte Emrich. "Beim Sport wurde diese Frage noch nie so diskutiert."

Manche Sportstätten könnten besser genutzt werden

Auf die Beobachtung der Auslastung vorhandener Sportanlagen ging Dr. Werner Pitsch vom Sportwissenschaftlichen Institut der Universität des Saarlandes ein, der an Sportentwicklungsplänen in mehreren Kommunen mitgearbeitet hat und sich seit längerer Zeit mit methodischen Fragen zum Thema beschäftigt. Laut Pitsch gilt es, systematische Beobachtungsfehler vermeiden, die etwa in der Person des Beobachters, in der Beobachtungssituation oder auch in der Stichprobe begründet liegen. "Die Erhebungsmängel sollte man auf unsystematische Beobachtungsfehler reduzieren", sagte Pitsch. In Neustadt an der Weinstraße hätten zehn studentische Hilfskräfte auf vier Routen zwischen Ende Februar und Mitte Mai 2013 montags bis freitags von 15 bis 21 Uhr in vier unterschiedlichen Wochen die Auslastung der Sportstätten beobachtet, wobei sowohl der Winter- wie der Sommerbelegungsplan der Sportanlagen berücksichtigt worden sei. Multifunktionale Anlagen seien ebenso berücksichtigt worden wie Anlagen für Fußball und Leichtathletik. "Der scheinbar kalte Stern der Knappheit ist eher eine wärmende Sonne, was die Ausstattung mit Sportanlagen angeht, an der es anscheinend mangelt, die aber gar nicht als so knapp von uns eingeschätzt werden." Vereinfacht formuliert: So mancher Fußballplatz könnte weitaus effizienter genutzt werden, würden sich die Protagonisten besser absprechen bzw. ab und zu geben.

Problem sind begrenzte Ressourcen

Pitschs Kollege Christian Rullang sprach von einem klassischen "Dilemma der Auslastungsplanung". Kommunen hätten das Ziel, eine möglichst gute und ausreichende Verfügbarkeit von Sportanlagen für alle sicherzustellen. Vereinen sei daran gelegen, eine möglichst umfassende Nutzung für jedes ihrer Mitglieder zu gewährleisten - und zwar möglichst ohne Belastung eigener Ressourcen. "Das Problem sind die begrenzten Ressourcen", sagte Rullang. "Immer mehr Vereine stellen den Kommunen Anfragen nach freien Sportstätten, nach deren Belegungsplänen gibt es aber keine bzw. nur ungenügende freie Kapazitäten." Die Sportwissenschaftler indes hätten herausgefunden, "dass nicht zu wenige Sportstätten zur Verfügung stehen, sondern dass sie nicht optimal genutzt werden". Als Mechanismen für die Auslastungssteuerung seien Transparenz und soziale Kontrolle von Bedeutung. Wobei sich jede Kommune auch für sich klar werden müsse, ob Jugendsport wichtiger sei oder Seniorensport, ob Leistungssport einen höheren Stellenwert habe oder Breitensport.

An der Vergleichbarkeit von solchen Indikatoren und ihrer Bedeutung für die Priorität von Bau und Sanierung von Sportstätten entzündete sich eine lebhafte Diskussion. Es wurde befürchtet, dass Sportvereine oder Sportarten gegeneinander ausgespielt würden. Der Stellenwert solcher Indikatoren, so die Sportwissenschaftler, sei aber eine politische Entscheidung.

Während Angelika Birk (Bürgermeisterin der Stadt Trier), Klaus Klaeren (Leiter der Europäischen Akademie des Rheinland-Pfälzischen Sports) und Ole Seidel (alta 4 Geobasisdaten) Befunde aus der Sportstättenuntersuchung Trier darlegten, machten Emrich sowie Prof. Dr. Lutz Thieme (Studiengangleiter Sportmanagement/Hochschule Koblenz) das Plenum mit ihren Überlegungen zur zukunftsweisenden Entwicklung von Kommunen vertraut.

(Quelle: LSB Rheinland-Pfalz)


  • Sporthallen sind vorhanden, werden aber oft nicht optimal genutzt. Foto: LSB NRW
    Sporthallen sind vorhanden, werden aber oft nicht optimal genutzt. Foto: LSB NRW