Sonderauswertung der "Deutschen Freiwilligensurveys"

Die sportbezogene Sonderauswertung der Deutschen Freiwilligensurveys belegt den Rückgang von Engagierten, zeigt aber zugleich auch ungenutzte Potenziale auf.

Innerhalb von 5 Jahren verliert der organisierte Sport rund 1 Million Engagierte. Foto: LSB NRW
Innerhalb von 5 Jahren verliert der organisierte Sport rund 1 Million Engagierte. Foto: LSB NRW

Rund 1 Mio. ehrenamtlich und freiwillig Engagierte hat der Sportbereich zwischen 2014 und 2019 verloren. Dies ist ein relevantes Ergebnis der sportbezogenen Sonderauswertung der Deutschen Freiwilligensurveys, die von der Humboldt-Universität zu Berlin vorgelegt worden ist und als E-Book unter dem Link „Ehrenamtliches und freiwilliges Engagement im Sport“ online zur Verfügung steht. Das Projekt unter Leitung von Prof. Dr. Sebastian Braun und Prof. Dr. Ulrike Burrmann wurde mit Forschungsmitteln des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert und vom DOSB als Kooperationspartner unterstützt. Datengrundlage bilden die vom Forschungsdatenzentrum des Deutschen Zentrums für Altersfragen (FDZ-DZA) herausgegebenen Daten der Jahre 2014 und 2019.

Mit der Analyse ist das Ziel verbunden, das freiwillige und ehrenamtliche Engagement im Handlungsfeld „Sport und Bewegung“ bzw. im „Sportbereich“ insgesamt und dabei speziell mit Blick auf die Sportvereine empirisch zu untersuchen. Die Grundgesamtheit der beiden Surveys ist jeweils die Wohnbevölkerung Deutschlands im Alter ab 14 Jahre. Mit 28.690 Interviews in 2014 und 27.762 Interviews in 2019 zählt der Deutsche Freiwilligensurvey (FWS) zu den größeren Bevölkerungsbefragungen in Deutschland. Die großen Stichproben erlauben differenziertere statistische Analysen, etwa entlang von Altersgruppen.

Die Ergebnisse zeigen folgende zentrale Entwicklungen im Fünfjahreszeitraum: Der Sportbereich bindet konstant den höchsten Anteil ehrenamtlich und freiwillig engagierter Personen in der Bevölkerung: 13,5% der Bevölkerung im Alter ab 14 Jahre engagierte sich 2019 im Sport, davon knapp 87% in Vereinen. Allerdings nahm die entsprechende Engagementquote von 2014 bis 2019 um 1,4 Prozentpunkte ab. In Absolutzahlen bedeutet dieser Rückgang – wenn man die Zahlen hochrechnet (Destatis – Statistisches Bundesamt, 2022) – Verluste im Umfang von ca. 1 Mio. Engagierten innerhalb von 5 Jahren. Die Daten zeigen außerdem, dass diese Verluste nicht dadurch kompensiert wurden, dass die Engagierten ihr Engagement 2019 häufiger ausübten als 2014.

Bemerkenswert an diesen Ergebnissen ist darüber hinaus, dass die Engagementquote in der Bevölkerung weitgehend konstant blieb (knapp 40%) und dass in keinem anderen Bereich ein entsprechender Rückgang zu verzeichnen war. So sind für die nächst größeren Bereiche „Kultur und Musik“ und „Soziales“, aber auch für andere Bereiche teilweise sogar Zuwächse an Engagierten zu beobachten. Darüber hinaus sank innerhalb der Gruppe der im Sportbereich Engagierten der Anteil der Funktionsträger*innen in Leitungs- und Vorstandsfunktionen um 1,2 Prozentpunkte. 2014 übernahmen 27,8% und 2019 26,6% derjenigen, die im Sportbereich ihre zeitaufwendigste Tätigkeit ausübten, eine Leitungs- oder Vorstandsfunktion.

In der Gesamtschau scheinen diese Befunde die These von einer „krisenhaften“ Entwicklung des ehrenamtlichen und freiwilligen Engagements im Sport und dabei speziell in den Sportvereinen zu stützen – eine These, die unter dem Stichwort einer „Krise des Ehrenamts“ im vereins- und verbandsorganisierten Sport seit Jahrzehnten in der Sportvereinsforschung kontrovers diskutiert wird. Diese Entwicklungstendenzen werden auch durch andere wissenschaftliche Befragungen von Funktionsträger*innen in den Sportvereinen gestützt, wie z.B. aus den Sportentwicklungsberichten (SEB) oder der Projektarbeit Zivilgesellschaft in Zahlen (ZiviZ) vom Stifterverband.

Zugleich zeigen die empirischen Daten aber auch, dass unter den Aktiven im Sportbereich, die sich bislang nicht engagierten, ein beachtliches „Engagementpotenzial“ zu finden ist, das zwischen 2014 und 2019 sogar nochmal zugenommen hat. Als Hinderungsgrund wird von dieser Zielgruppe mit Abstand der zu große Zeitaufwand (82%) genannt. Sportpolitisch und sportverbandlich stellt sich hier die Frage, wie dieses Engagementpotenzial zukünftig mobilisiert werden kann. Dabei werden neben veränderten individuellen Anreiz- und Erwartungsstrukturen auch organisationale Einflussfaktoren im Sportverein zu diskutieren sein.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der FWS 2019 vor Beginn der Corona-Pandemie durchgeführt worden ist. Insofern berücksichtigen die Analysen nicht die Auswirkungen der Pandemie auf das freiwillige und ehrenamtliche Engagement im Sportbereich und anderen gesellschaftlichen Engagementbereichen. Hierzu wurde im Rahmen des Forschungsprojekts eine eigene Bevölkerungsbefragung zur „Ehrenamtlichkeit im Sportverein während der Corona-Pandemie (EiS-CP)“ durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Befragung sind in verschiedenen Arbeiten publiziert worden und u.a. auf der Projektseite der HU-Berlin (EiS-CP) abrufbar.

(Quelle: DOSB)


  • Innerhalb von 5 Jahren verliert der organisierte Sport rund 1 Million Engagierte. Foto: LSB NRW
    Sporthalle mit Jugendlichen: Zwei Personen erklären etwas; eine Person hockt auf einem Kasten, andere Personen schauen zu Foto: LSB NRW