Studie: Die Deutschen lieben ihren Verein

Ob als Übungsleiterin im Sportverein, als Umweltaktivist oder als Mitglied der Studierendenbewegung: Millionen Deutsche mischen sich ein und am Liebsten machen sie das in einem Verein.

Der Sportverein ist das liebste Umfeld für bürgerschaftliches Engagement. Foto: LSB NRW
Der Sportverein ist das liebste Umfeld für bürgerschaftliches Engagement. Foto: LSB NRW

97 Prozent der mehr als 600 000 zivilgesellschaftlichen Organisationen sind Vereine. Sie sind das Rückgrat unserer Gesellschaft und sollten von der Politik stärker gefördert werden. Das ist ein Ergebnis des ZiviZ-Survey, einem Projekt des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft zusammen mit der Bertelsmann Stiftung und der Fritz Thyssen Stiftung.

Die Autoren des ZiviZ-Surveys haben erstmals genau hingeschaut, und die gesamte organisierte Zivilgesellschaft statistisch erfasst. Denn zivilgesellschaftliches Leben ist der Sportverein um die Ecke, die Musikschule im Ort, das nächste Krankenhaus oder der Kindergarten der Stadt. Das bedeutet, eine lebendige Demokratie kann es ohne Zivilgesellschaft nicht geben.

„Die Studie zeigt zwar erneut, dass der Sport größter Träger des bürgerschaftlichen Engagements in  Deutschland ist“, sagt Karin Fehres, Direktorin Sportentwicklung im DOSB. Die Studie sei aber auch eine sehr wichtige Standortbestimmung, weil sie den Vereinsport im Kontext anderer gemeinwohlorientierter Organisationen einordne. „Es wird deutlich, dass es notwendig ist, den Entbürokratisierungsprozess weiter voranzutreiben, um die Arbeit in unseren Vereinen zu unterstützen und zu stärken.“ Fehres kündigt deshalb an, auf den Sport bezogene Sekundäranalysen aus den Ergebnissen der Studie herausarbeiten zu lassen.

„Die Studienergebnisse liefern wertvolle Orientierungen und Ansatzpunkte für eine zukunftsorientierte Zivilgesellschaftspolitik. Jetzt liegt es an den Kommunen und Ländern und insbesondere an der neuen Bundesregierung, diese aufzugreifen und den Dialog von Forschung und Förderung weiter auszubauen“, erklärt Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft.

Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung sagt: „Wenn bisher von der Zivilgesellschaft in unserem Land geredet wurde, dann war dies immer ein verschwommener Begriff ohne konkrete Fakten. Ich freue mich deshalb sehr, dass wir mit der ZiviZ-Studie der künftigen Bundesregierung und allen Entscheidern eine fundierte Basis geliefert haben, die Zivilgesellschaft besser zu verstehen.“

Engagement im Verein kein Auslaufmodell

Das Ergebnis des ZiviZ-Survey: Das freiwillige Engagement im Verein ist kein Auslaufmodell sondern der Regelfall und zugleich nimmt die Bedeutung von Stiftungen, gemeinnützigen GmbHs und Genossenschaften in den letzten Jahren immer mehr zu.

Das heißt, die typische zivilgesellschaftliche Organisation ist der Verein, aber mit unterschiedlichen Anteilen an allen gemeinwohlorientierten Organisationen. So gibt im Bereich Sport zum Beispiel 99 Prozent Vereine und nur 1 Prozent Stiftungen. Bei Bildung und Erziehung gibt es dagegen mit 25 Prozent deutlich mehr Stiftungen und gemeinnützige GmbHs.

Fast zwei Drittel der Vereine sind in den Bereichen Sport, Kultur und Freizeit zu finden. Gefolgt von den Bereichen Bildung und Erziehung, wie freie Schulen, Kindergärten oder Fördervereinen. Einen Gründungsboom gab es allerdings in den letzten Jahren vor allem bei den sozialen Diensten und im Bereich Gesundheitswesen. Hier wurde seit dem Jahr 2000 fast jeder zweite Verein gegründet.

Regional ist die Vereinsdichte sehr unterschiedlich. Vor allem im Süden der alten Republik und in den neuen Bundesländern gibt es die meisten Vereine. Spitzenreiter ist Thüringen. Hier kommen neun Vereine auf 1.000 Einwohner. Schleswig-Holstein und die Stadtstaaten bilden das Schlusslicht.

Die Autoren des ZiviZ-Survey stellen fest: Je kleiner der Verein, desto größer sind die Probleme bei der Nachwuchsgewinnung. Der Bund hat zwar durch den Ausbau und die Weiterentwicklung von Freiwilligenagenturen, Mehrgenerationenhäusern, Senioren- und Familienbüros versucht, Vereine, Initiativen und andere Vereinigungen in ihren Aktivitäten zu unterstützen. Offenbar aber mit wenig Erfolg. Viele Aktivitäten gehen an den Betroffenen, an den kleinen Vereinen vorbei. An diesem Defizit setzt u.a. das DOSB-Projekt „Attraktives Ehrenamt im Sportverein an“, das im Schulterschluss mit den genannten Institutionen neue Wege erproben und gelingende Faktoren der Kooperation untereinander herausarbeiten wird.

Die kleinen, rein ehrenamtlichen geführten Organisationen machen mehr als 50 Prozent aus. Sie erhalten zumeist keine öffentlichen Gelder. Daher spielt für sie die materielle Förderung durch Dritte eine wesentliche Rolle. Die Bereitstellung von Personal oder Serviceleistungen, von Sachmitteln oder von Infrastrukturen wie Räumen für die Vereinsnutzung oder Sportstätten sind wichtige Bestandteile im Ressourcenmix.

Nur ein Drittel der zivilgesellschaftlichen Organisationen finanzieren sich auch über öffentliche Mittel. Den größten Anteil bekommen Organisationen in den sozialstaatsnahen Bereichen Soziale Dienste, Gesundheit sowie Bildung und Erziehung. Um diese Bereiche auch nachhaltig finanziell zu unterstützen, empfehlen die Autoren der Studie ZiviZ-Survey, dass öffentliche Mittel langfristiger bewilligt und breiter gestreut werden müssen.

ZiviZ-Survey

Die organisierte Zivilgesellschaft ist ein vernachlässigter Bereich der statistischen Beobachtung. Das Projekt ZiviZ (Zivilgesellschaft in Zahlen) will diese Lücke schließen und hat den Dritten Sektor erstmals unter die Lupe genommen. Die repräsentativ erhobenen Daten über zivilgesellschaftliche Strukturen und Prozesse geben erstmals eine Orientierung für Kernfragen in dem Bereich organisierte Zivilgesellschaft. 

(Quelle: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft / DOSB)


  • Der Sportverein ist das liebste Umfeld für bürgerschaftliches Engagement. Foto: LSB NRW
    Der Sportverein ist das liebste Umfeld für bürgerschaftliches Engagement. Foto: LSB NRW